Zurück in die Vergangenheit – Titanic Museum und Black Taxi Tour in Belfast

Belfast, die Hauptstadt Nordirlands, hat in den letzten Jahrzehnten eine bemerkenswerte Wandlung durchlebt. Einst gezeichnet durch politische Unruhen und Gewalt, hat sich die Stadt inzwischen zu einem beliebten Reiseziel entwickelt. Die Geschichte des Nordirland Konfliktes erlebst du hautnah auf einer Black Taxi Tour durch Belfast. Belfast war im 19. Jahrhundert auch ein wichtiges Zentrum für den Schiffsbau. Die zu trauriger Berühmtheit gelangte Titanic lief hier 1911 vom Stapel. Kein Wunder ist das Titanic Museum die Sehenswürdigkeit in Belfast.

In diesem Beitrag nehme ich dich mit ins Titanic Museum und auf eine eindrückliche Black Taxi Tour. Wie immer gilt, lass dich inspirieren und mache dir selbst ein Bild.

Blick vom Titanic Museum auf Belfast
Blick auf Belfast

Besuch im Titanic Museum

Die Geschichte Belfasts ist eng mit der Geschichte der Titanic verbunden, die hier auf der immer noch existierenden Werft von Harland and Wolff mit ihrem Schwesterschiff zur Blütezeit des Schiffbaus gefertigt wurde. Allein schon die Fassade des Museumsgebäudes machen neugierig. Man erkennt den Bug eines Schiffes, der gleichzeitig durch die Kristallstruktur auch ein Eisberg sein könnte.

Titanic Museum, Belfast zeigt den Vorplatz und das Museum mit dem Schiffsbug in drei Himmelsreichtungen, die mit ihrer glänzenden Kristallstruktur an einen Eisberg erinnern. Davor der grosse rostige Schriftzug.
Titanic Museum, Belfast

Insofern stand ein Besuch des Titanic Museums ganz oben auf unserer Liste der Sehenswürdigkeiten für Belfast. Nach dem Reinfall mit dem Besuch bei den Marble Caves auf dem Weg nach Belfast, buchen wir gleich noch am Abend online für den nächsten Tag Earlybird Tickets für 9.45 Uhr im Titanic Museum.

9.45 ist noch nicht viel los im Titanic Museum. Bevor man mit der Rolltreppe nach oben fahren kann, werden alle Besucher noch mit Koffern und anderen Utensilien vor einem Bluescreen fotografiert. Am Ausgang warten dann nach Uhrzeit sortiert die Bilder und können gekauft werden. Heute wie damals stehen lachende Familien vor der Titanic und winken.

Bild Titanic Museum Schriftzug - Belfast zeigt den in übermannsgrosser rostiger Platte ausgestanzten Schriftzug Titanic in Grossbuchstaben.
Titanic Museum Schriftzug – Belfast

Eintauchen in die Zeit

Das anlässlich des 100. Jahrestages des Untergangs der Titanic eröffnete Museum begeistert uns. Thematisch beginnt der Rundgang mit dem Aufstieg Belfasts zur Leinenmetropole der Welt. Über Projektoren werden die Bilder der Vergangenheit lebendig. Ein Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf der Landflucht in die Stadt. Gezeigt wird, wie die Arbeitsbedingungen in den Lein Mühlen und Lein Webereien waren. Auch die Wohnbedingungen der Arbeitsbevölkerung werden gezeigt. Heute sind die Häuser der Arbeiter-Wohnsiedlungen zwar etwas grösser, aber so viel scheint sich nicht geändert zu haben.

Die grosse Hungersnot in Irland ist Auslöser für die Migrationswelle nach Amerika und damit auch der Auslöser für die Planung grösserer Schiffe. Der Weg durchs Museum führt nach oben. So bekommen wir eine sehr realistische Vorstellung von der Höhe der Titanic, bevor wir dann auf Sesseln schwebend wie auf einer harmlosen Achterbahn durch die Werft schweben. Durch die Geräuschkulisse vom Hämmern der Nieten reisen wir zurück in der Zeit und erleben, wie es damals auf der Werft so zugegangen ist. Immerhin 1 Million Nieten wurden in den Koloss aus Stahl gehämmert.

Anschliessend kann man sich an Multimedia-Terminals die einzelnen Etappen angefangen bei der Kiellegung über den Bau des Rumpfes mit seiner doppelten Aussenhaut bis zum Stapellauf ganz genau ansehen.

Der Bau dieses grössten Dampfers seiner Zeit löste einen richtigen Medienhype aus, den man verfolgen kann

Klassenunterschiede auf der Titanic

Im Titanic Museum sind die Kabinen der First, Second und Third Class nachgebaut. Ein Ticket für die 3. Klasse mit einem Doppelstock Bett und eigenem Kissen konnte für 6 £ gebucht werden. Damals entsprachen diese 6 £, dem Monatslohn eines Werftarbeiters. Diese Klasse wurde meistens von Migranten für die Überfahrt gewählt. Räumlich war alles streng nach Geschlechtern getrennt. Die 3. Klasse Passagiere mussten mit 2 Toiletten pro Geschlecht auskommen. Es gab auch Massenlager ohne Kopfkissen, die etwas günstiger waren.

Die 2. Klasse unterschied sich von der 3. Klasse durch einen Mahagoni Schrank und ein Waschbecken in der Kabine. Diese war auch etwas grösser. Und es gab mehr Toiletten. Der Luxus kostete allerdings auch mehr als das Doppelte.

Die 1. Klasse dagegen bot jeden erdenklichen Luxus, der weit über das zur damaligen Zeit in Hotels Gebotene hinausging. Die Preise in der ersten Klasse begannen ab 26 £.

Dass auch das Leben der Angestellten auf der Titanic kein Zuckerschlecken war, davon kann man sich an weiteren Multimedia-Terminals überzeugen.

Die Inszenierung des Unglücks

Ab hier nimmt nun das Drama seinen Lauf im Titanic Museum. Es beginnt mit einem Raum, in dem man die Morsetechnik ausprobieren kann. Die letzten Funksprüche der Titanic sind an den Wänden verteilt. Daneben findet man die Aussagen der Überlebenden, die Anhörungen in Amerika, die Tagebucheintragungen der Ärzte. Dies wird ergänzt mit der weltweiten Medienberichterstattung über das Unglück.

Darüber hinaus zeigt die Ausstellung, was für die Überlebenden und Hinterbliebenen unternommen wurde. Die Ausstellung führt drastisch vor Augen, wie die Chancen zu überleben an Bord verteilt waren. Reich und weiblich war die Kombination mit der besten Überlebenschance. Die schlechtesten Chancen hatten männliche Angestellte oder männliche 3. Klasse Passagiere.

Das Museum verfügt sogar über einen Kinosaal. In diesem wird ein Film mit den Unterwasseraufnahmen des Wracks und den diversen Fundgegenständen gezeigt.

Die Nomadic im Trockendock

Durch die letzten Räume müssen wir recht schnell durchlaufen, weil wir die Zeit im Museum total vergessen haben. Ein grösseres Lob für eine Ausstellung gibt es wohl nicht. Wir hatten knapp 4 Stunden Zeit, was definitiv zu wenig war. Aber Jörg möchte gern der Nomadic, dem Schiff auf dem Trockendock, noch einen Besuch abstatten, bevor unsere Black Taxi Tour beginnt. Die Nomadic diente in Cherbourg als Passagierzubringer zur Titanic, die dort nur auf der Reede vor dem Hafen vor Anker gehen konnte.

Bild Nomadic im Trockendock - Belfast zeigt das Schiff von vorn. Im Hintergrund ragt das Titanic Museum in den Himmel
Nomadic im Trockendock – Belfast

Black Taxi Tour durch Belfast

Wir reisen mit einem Protestanten, der den Konflikt selbst erlebt hat, durch den Nordirlandkonflikt, der traurige Berühmtheit als «the Troubles» erreichte. Diese Black Taxi Tour ist sehr eindrücklich, aber erst einmal müssen wir uns an den Dialekt unseres Fahrers gewöhnen. Wir werden in einem dieser schwarzen Londoner Taxis herumgefahren, die man aus zahlreichen Filmen kennt. Es sind aber keine Oldtimer, sondern Bausatz-Autos. Der Motor kommt von Nissan. Die Karosserie-Bausätze gibt es in verschiedenen Ausführungen, u.a. auch als Classic Car für Hochzeitslimousinen. Im Auto sitzt man sich hinten gegenüber.

Unsere Black Taxi Tour beginnt im Viertel der Protestanten und zeigt uns, wo die Auseinandersetzungen losgingen. In den Vierteln der Protestanten ist alles mit britischen Fähnchen geschmückt, denn am Samstag findet wieder der Marsch zum Gedenken an den Sieg des protestantischen Wilhelm von Oranje über britische Truppen in Irland statt.

Hausfassade mit King William und der Jahreszahl 1690 zeigt deutlich, dass man sich in einem protestantischen Wohngebiet befindet. Wir kommen im Rahmen der Black Taxi Tour vorbei.
Hausfassade mit King William Bild, Belfast
Für den Oranje Marsch geschmückte Reihenhäuser in Belfast auf der Black Taxi Tour gesehen.
Für den Oranje Marsch geschmückte Reihenhäuser

Viele Hausgiebelseiten sind bemalt. Einige wenige Bilder sind friedliche Mauergemälde. Die meisten der Wandbilder halten die Erinnerung an die Führer der Bewegung wach. Zum Teil sind diese Bilder sehr martialisch. Die Armeen gibt es laut unserem Fahrer heute immer noch. Inzwischen sollen sie aber eher mafiöse Züge angenommen haben. Gleich hinter den Häusern steht das ehemalige Gefängnis für die politischen Häftlinge. Heute ist das Gefängnis eine weitere berühmte Sehenswürdigkeit in Belfast.

Für den Oranje Marsch geschmückte Reihenhäuser in Belfast auf der Black Taxi Tour gesehen.
Wohnen mit Gewalt und Gefängnis im Hintergrund
Auch am Womans Quilt, einer Arbeit von Frauen für den Frieden kommen wir im Rahmen der Black Taxi Tour durch Belfast vorbei.
Der farbenfrohe Womans Quilt

Die Geschichte eines Konflikts

Der Nordirlandkonflikt war ein langjähriger, blutiger Konflikt zwischen Protestanten und der katholischen Minderheit. Er dauerte von den späten 60er Jahren bis 1998 zum Friedensabkommen an und forderte eine Vielzahl an Opfern. Tief verwurzelte soziale, politische und religiöse Unterschieden zwischen den beiden Glaubensrichtungen, Diskriminierung der katholischen Minderheit und Rivalitäten zwischen den politischen Gruppen und Spannungen zwischen Nordirland und der Republik Irland trieben den Konflikt immer wieder an.

Flaggen an der Erinnerungsfassade und die Symbole politischer Gruppierungen im Viertel der Protestanten auf der Black Taxi Tour durch Belfast.
Flaggen und Symbole politischer Gruppierungen an der Erinnerungsfassade

Der Friedenswall

Der sogenannte Friedenswall (die Mauer) hat etwas von der Ost-West-Grenze in Deutschland zu Zeiten des Sozialismus. Die Mauer ist sehr hoch. Dennoch flogen die Molotow-Cocktails darüber. Sie hat 5 Tore, die immer noch abends geschlossen werden. Die Regierung will die Mauer und das Schliessen der Tore noch bis mindestens 2023 beibehalten. Je nachdem wie sich der Brexit gestaltet, kann es jedoch sein, dass die Mauer neue Aktualität bekommt.

Als nächstes bringt uns der Fahrer zu einer Brache, die wie eine Mülldeponie aussieht. Auch hier standen ursprünglich Häuser. Von dort hat man einen guten Blick auf den Grenzwall. Auf der Brache wird anlässlich der Oranje Märsche jedes Jahr bis heute ein riesiger Scheiterhaufen entzündet.

In Belfast gibt es noch viele Brachen. Von dieser blickt man auf den hohen Friedenswall. Hier wird zum Oranje Day ein Scheiterhaufen entzündet. - Black Taxi Tour
Einst standen hier Häuser, die im Nordirlandkonflikt zerstört wurden

Für uns ist dieser Hass auf beiden Seiten unvorstellbar, genauso wie die Tatsache, dass Protestanten keine katholischen Viertel betreten. Unser Fahrer erzählt uns, dass er erstmals im Rahmen seiner Tätigkeit als Black Taxi Tour Fahrer ein katholisches Viertel betreten hat und welche Ängste das in ihm ausgelöst hat. Eine Schulkameradin seiner ältesten Tochter gehörte noch zu den Opfern des Nordirlandkonfliktes.

Wir fahren entlang der Mauer und werden aufgefordert, ebenfalls etwas auf die Mauer zu schreiben.

Der Friedenswall in Belfast ist eine hohe Mauer aus Betonelementen, Metallzaun und Armeedraht. Im unteren Teil ist die Mauer farbig gesprayt.
Der Friedenswall in Belfast

Clonards Martyrs Memorial Garden

Schliesslich fahren wir durch die Mauer zum Clonards Martyrs Memorial Garden. Das Denkmal steht für die Opfer beider Seiten und wurde an der Stelle erbaut, wo die ersten Häuser im Nordirlandkonflikt niederbrannten, was den Beginn der Auseinandersetzung markierte. Die Häuser der Katholiken, die direkt an der Mauer stehen, haben teilweise noch die Drahtverhaue, um ihren Garten vor Molotow-Cockteils und Steinen zu schützen. Für uns ist es unvorstellbar, dass die Menschen in diesen Häusern wohnen bleiben.

Bild Plakat beim Memorial, Black Taxi Tour Belfast zeigt brennende Häuser, eine Mutter, die ihr Kind festhält und darunter wie bei auf einem Filmstreifen Aufnahmen der Zerstörung dieser Strasse.
Plakat beim Memorial

Auch in den Vierteln der Katholiken gibt es die Giebelfrontmalereien. Ein besonderes Bild erinnert an den Hungerstreik der katholischen Gefangenen, die für gleiche Haftbedingungen im Gefängnis gestreikt haben. Die damalige Premierministerin Maggy Thatcher hat es jedoch abgelehnt, mit Terroristen zu verhandeln, insofern sind die streikenden Gefangenen alle gestorben, der letzte nach über 60 Tagen Hungerstreik.

Bild Erinnerung an den Hungerstreik, Black Taxi Tour 
Belfast zeigt das Bild von Bobby Sands umgeben von gesprengten Ketten. Rechts und links sind die Portraits der beiden Mitstreikenden. Die Fassade ist farbenprächtig. Am Giebel steigt Phönix aus dem Feuer.
Erinnerung an den Hungerstreik

Heute in Belfast

Heute geniessen beide Seiten den Frieden. Die Kinder gehen in gemischte Schulen. Trotzdem haben alle Angst, dass der Krieg wieder aufflammen könnte. Mit der Brexit Entscheidung und dem ungeklärten Status von Nordirland bekommt die Angst vor einem erneuten Ausbruch des Konfliktes neue Nahrung.

Wir fragen uns die ganze Zeit, wie man freiwillig in einer solchen Umgebung des Hasses und der Destruktion leben kann, während uns das Black Taxi am Ende unserer Tour uns zurück in die lebendige Innenstadt bringt. Es ist als hätte Belfast zwei Gesichter. Da gibt es das moderne Belfast, in dem Aufbruchstimmung und Lebensfreude herrscht. In den Pubs gibt es selbst unter der Woche häufig Livemusik, überall sind gelassene Menschen in den Cafés und Pubs unterwegs. Überall schiessen Hotels und moderne Büro- und Wohnviertel aus dem Boden.

Das moderne Belfast mit Glastürmen und das Belfast mit Gebäuden aus viktorianischer Zeit.
Belfast hat viele Gesichter

Und dann gibt es die gleichförmigen, trostlosen Wohnquartiere, wie das, in dem unser gemietetes Haus steht. Vorgärten mit Kies, häufig als Abstellplatz genutzt, für alles, was im Haus keinen Platz hat. Im Minigarten hinter dem Haus steht der Öltank für die Heizung und wächst das Unkraut. Bei manchen dieser Viertel hat der Architekt scheinbar vergessen, die Abwasserleitungen im Haus zu verlegen, denn sie führen an den Aussenwänden lang. Ausserhalb der Innenstadt gibt es ganze Strassenzüge, die zum Verkauf stehen, deren Geschäftslokale mit heruntergelassenen Rollläden an bessere Zeiten erinnern.

Da in Belfast an jeder Ecke gebaut wird, zieht es uns an den folgenden beiden Tagen in die ländliche Idylle am Strangford Lough. Darüber berichte ich im Beitrag vom Mount Stewart und den Sehenswürdigkeiten am Strangford Lough bei einer Rundfahrt.

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